Freitag, 17. November 2006

Paul Dessau (leider sehr zerkratzt)



Paul Dessau (geb. 1894): „Lilo Herrmann" (1953) (28 min)
Ein Melodram für Sprechstimme, 6 Soloinstrumente und gemischten Chor nach dem gleichnamigen biographischen Poem von Friedrich Wolf; Mathilde Danegger, Sprecherin; Berliner A-cappella-Chor und Mitglieder des Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Dirigent: Paul Dessau
Ein Heldenepos unserer Tage könnte das Werk von Friedrich Wolf und Paul Dessau genannt werden, mit dem sie der jungen deutschen Studentin Lilo Herrmann ein künstlerisches Denkmal setzten. Es wurde zum Mahnmal des antifaschistischen Widerstandskampfes und zum Sinnbild unbeugsamen Freiheits- und Friedenswillens. In Berlin und Stuttgart hatte Lilo Herrmann Chemie studiert. In ihren freien Stunden leitete sie eine Pioniergruppe, lehrte Arbeiterkinder Mut, Hilfsbereitschaft und Solidarität, wanderte, sang und spielte mit ihnen, erzog sie im Geiste des Friedens und der Völkerfreundschaft. Und so wünschte sie auch ihren kleinen Sohn aufwachsen zu sehen, und seinen Werdegang zu erleben. Unerschrocken warnte sie vor der braunen Gefahr: Hitler, das ist der Krieg! Mutig half sie den antifaschistischen Widerstand organisieren. Als sie 1937 verhaftet und wegen angeblichen Hochverrats zum Tode verurteilt wurde, blieb sie trotz aller körperlichen und seelischen Folter standhaft, getreu ihrer politischen Oberzeugung und ihrem Gewissen. Ihr Schicksal wurde zum Symbol des Widerstandes. In weltweiter Solidarität kämpften Antifaschisten, Kommunisten und fortschrittliche Studenten für ihre Rettung. Das Urteil mußte aufgeschoben werden, es zu verhindern, gelang nicht. Am 20. Juni 1938 wurde Lilo Herrmann als erste deutsche Frau auf Befehl der faschistischen Mörder in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Der Arzt und Dichter Friedrich Wolf (1888-1953) hatte Lilo Herrmann während seiner Tätigkeit als Kassenarzt in Stuttgart kennen gelernt. Wie sie kämpfte er gegen die beginnende faschistische Diktatur. Seit seinem Einsatz als Frontarzt im 1. Weltkrieg fühlte er sich der revolutionären Arbeiterklasse verbunden, nahm an ihren Kämpfen teil und setzte sich für sie als Arzt und als Schriftsteller ein. Wegen drohender Verhaftung mußte er 1933 nach Frankreich emigrieren. Nach neuerlicher Verfolgung und Einweisung in ein Straflager für politische Gefangene flüchtete er in die Sowjetunion. Lange Zeit beschäftigte ihn der Gedanke, den Lebensweg der großen politischen Kämpferin Lilo Hermann künstlerisch nachzuzeichnen, ihr mutiges Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit dichterisch zu formen. 1951 konnte er seine Absicht in dem biographischen Poem in hoher Meisterschaft verwirklichen. Zwei Jahre später vertonte Paul Dessau die Dichtung Friedrich Wolfs als Melodram. Im Melodram verschmelzen wegen des gesprochenen Textes Wort und Musik weit weniger als in anderen Vokalformen. Deshalb wird es selten als selbständige Kunstform verwandt. Goethe nannte es sogar zwitterhaft, weil es „weder Schauspiel noch Oper, nicht Fisch, nicht Fleisch sei". Dessaus Werk jedoch läßt jedwede Bedenken zurücktreten; es wirkt im Gegenteil in höchstem Maße geschlossen und ausdrucksstark.
Seine Ideen erprobte Dessau mit Studenten der Staatlichen Schauspielschule Berlin, wo er zu dieser Zeit tätig war. Er veränderte, feilte, verwarf, formte neu, ständig auf der Suche nach einfachstem und treffendstem Ausdruck. In der Partitur vermerkte er ausdrücklich, daß sie in Kollektivarbeit mit seinen Schülern entstanden sei. Dem Hörer macht es Dessau nicht leicht; denn er erwartet und fordert von ihm Mitdenken und bewußtes Erfassen, um die musikalischkünstlerischen Zusammenhänge aufnehmen und verstehen zu können und ihren Sinn zu begreifen. Dessau will aufrütteln und belehren. Aus dieser Einstellung resultieren „... Kompromißlosigkeit, Knappheit, Logik, kämpferische Haltung und Schärfe, die stets mit starker Eindringlichkeit gepaart sind." (E. H. Meyer)
Auch im Melodram „Lilo Herrmann" will er zur Stellungnahme zwingen und die Hörer aktivieren. Seine stark gedankliche, problemgeladene, aber auch ergreifende Musik strebt gleichermaßen nach Expressivität wie nach konzentrierter, logisch-konsequenter Formung, nach Reichtum und nach Klarheit des Ausdrucks. Das vorgeschriebene Kammerensemble besteht aus Flöte, Klarinette, Trompete, Violine, Viola, Violoncello, Sprechstimme (auch mehrere) und Chorstimmen. Die Sprecherin schildert „unbewegt" Leben, Kämpfen und Sterben der Studentin Lilo Herrmann. In der Tonhöhe nur andeutungsweise fixiert, aber metrisch gegliedert und rhythmisiert, soll die Sprechstimme gleichsam siebentes Instrument sein, soll „berichten" und nicht miterleben, um desto stärker den Inhalt des Wortes, die Bedeutung des Gesagten ins Bewußtsein des Hörers zu rücken. Der kammermusikalische Part dient weniger der Begleitung, als daß er bildhafte Assoziationen schafft, das Geschehen durch Stimmungs- und Situationsschilderung und Tonmalerei wie auch durch Liedzitate und Stilisierungen verdeutlicht und die Worte akzentuiert, kontrapunktiert und kommentiert. Der Chor erklingt am | Ende eines jeden der 15 Abschnitte, vertieft die Worte in eindringlicher Wiederholung, symbolisiert die Stimme des Volkes und gliedert gleichzeitig durch refrainartige Wiederkehr die musikalische Form.

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Siegfried Kurz (geb. 1930) (14 min)
Konzert für Trompete und Streichorchester op. 23 (1953) Wolfgang Stephan, Trompete - Dresdner Philharmonie Dirigent: Heinz Bongartz
Das Trompetenkonzert des Dresdner Komponisten und Dirigenten Siegfried Kurz ist ein einfallsreiches und klanglich reizvolles Werk von unmittelbarem Ausdruck und volkstümlicher Sprache. Besonders der wirkungsvolle virtuose Solopart verleiht ihm Frische und Aktivität und beweist auch ein enges Vertrautsein des Komponisten mit dem Instrument (Kurz hat nach 1945 in Dresden außer Komposition und Dirigieren auch Trompete studiert). Die klangfreudige, heitere Musik dieses Konzertes stellt dem Hörer keine Probleme, ist aber auch nicht unverbindlich, sie ist unterhaltsam, doch dabei nicht anspruchslos. Einfachheit und Volksverbundenheit ergeben sich aus dem spielfreudigen, musikantischen Charakter, aus der offenen Haltung.

LEIDER IST DIE PLATTE KAUM NOCH ZU GEBRAUCHEN (SOUNDQUALITÄT)


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